Sonderkündigungsrecht nach Zwangsversteigerung

Auch wenn im Mietvertrag ein Ausschluss der Eigenbedarfskündigung vereinbart ist, kann ein Sonderkündigungsrecht des Erstehers nach § 57a ZVG (Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung) vorliegen, wenn die Zwangsversteigerung einer vermieteten Wohnung zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen erfolgt ist.

Der Fall
Die Vermieter einer Eigentumswohnung kündigen ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs und verlangen die Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Mietverhältnis besteht seit dem Jahr 2005. Sie hatten die vermietete Wohnung per Zwangsversteigerung im Oktober 2018 erworben. Die bereits vier Tage nach Erwerb ausgesprochene Kündigung begründeten die Vermieter damit, die Wohnung für den volljährigen Sohn zu benötigen. In dem mit dem damaligen Eigentümer abgeschlossenen Mietvertrag ist unter anderem die Vereinbarung „Eine Eigenbedarfskündigung durch den Vermieter ist ausgeschlossen.“ enthalten. Unter Berufung auf diese Klausel akzeptiert der Mieter die Eigenbedarfskündigung nicht. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht gaben der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage statt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Mieter sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung
Die Revision des Mieters hatte auch vor dem BGH keinen Erfolg. Die Eigenbedarfskündigung sei trotz des im Mietvertrag vereinbarten Ausschlusses wirksam, so der BGH. Denn § 57a ZVG gewähre demjenigen, der eine vermietete Immobilie durch Zwangsversteigerung erwirbt, ein Sonderkündigungsrecht. Danach sei der Ersteher gemäß § 57a ZVG berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist zu kündigen, wobei die Kündigung nur für den erstmöglichen Termin zulässig ist. Der BGH führt dazu aus, dass sich diese Norm nicht nur auf Kündigungsfristen beziehe, sondern auch dazu führe, dass der Ersteher an einen etwaigen vertraglichen Kündigungsausschluss nicht gebunden sei. Da dieses Sonderkündigungsrecht zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen gehöre, könne es nicht durch schuldrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Etwas anderes könne ausnahmsweise nur dann gelten, wenn der Mieter im Zwangsversteigerungsverfahren sein Mietrecht angemeldet hat und der Zuschlag unter Ausschluss des Sonderkündigungsrechts erteilt worden sei. Dies sei vorliegend jedoch nicht erfolgt, sodass das Sonderkündigungsrecht nicht ausgeschlossen worden sei. Schließlich hätten die Erwerber mit dem ausreichend begründeten Eigenbedarf ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573d Abs. 1 BGB dargelegt, so der BGH.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. September 2021, Az. VIII ZR 76/20
Vorinstanzen:
Landgericht München I, Urteil vom 28.02.2020, Az.14 S 12060/19
Amtsgericht München, Urteil vom 02.08.2019, Az. 461 C 1123/19