In einem nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) aufgeteilten Mehrfamilienhaus brachten mehrere Wohnungseigentümer vor den nach Südosten ausgerichteten Fensterflächen Außenjalousien als Sonnenschutz an. Den klagenden Miteigentümern passte dies nicht.
Der Fall
Die Kläger sind die Eigentümer der Wohnung Nr. 2, die Beklagten die Eigentümer der Wohnungen Nr. 1, 3 und 4. In einer Eigentümerversammlung wurde allen Eigentümern gestattet, an Türen und Fenstern hofseitig Jalousien zu installieren. Angebote zu technischen Lösungen sollte der Verwalter einholen, damit in einer weiteren Versammlung über die Ausführung beschlossen werden konnte. Der Beschluss wurde bestandskräftig. Zu einem Ausführungsbeschluss kam es in der Folge nicht. Die Beklagten ließen in den ihren nach Südosten ausgerichteten Fensterfronten vorgelagerten Stahlrahmen Außenjalousien anbringen, um die Wohnräume vor Sonnenerwärmung zu schützen.
In der Baubeschreibung, die der Teilungserklärung als Anlage beigefügt ist, werden Jalousien und sonstige Verschattungsanlagen nicht erwähnt. Gleiches gilt für die Bauträgerverträge, die die Wohnungseigentümer ab dem Jahr 2004 mit dem Bauträger abgeschlossen hatten. Der Errichtung des Gebäudes durch den Bauträger lag eine Baugenehmigung aus Dezember 2003 zugrunde, deren Bestandteil eine „Allgemeine Baubeschreibung” war, in der es u.a. heißt, dass es an der großzügig nach Südosten geöffneten Fassade Jalousien zur Verschattung im vorgelagerten Stahlrahmen gibt.
Die Kläger fühlen sich durch die Jalousien gestört. Sie klagen auf Beseitigung. Amtsgericht Senftenberg und Landgericht Frankfurt (Oder) weisen die Klage ab, weil die Jalousie zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Erstzustandes erforderlich sei, und zwar im Hinblick auf die der Baugenehmigung zugrunde liegende „Allgemeine Baubeschreibung”, deren Angaben zu baulichen Ausstattungsmerkmalen bei der Ermittlung des plangerechten Erstzustandes jedenfalls dann rechtsverbindlich seien, wenn sie nicht im Widerspruch zur Teilungserklärung stünden.
Die Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil auf und verweist den Fall zurück. Denn der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts (erstmalige plangerechte Herstellung) sei unzutreffend und die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zur endgültigen rechtlichen Beurteilung müssten erst noch getroffen werden. Unzweifelhaft sei, dass die Kläger aktivlegitimiert (Inhaber der eingeklagten Beseitigungsansprüche) und prozessführungsbefugt seien, da der Verband die Rechtsverfolgung nicht über einen Mehrheitsbeschluss an sich gezogen habe (Randnummer 9 des Urteilsgründe). Rechtsfehlerhaft sei aber, wie das Berufungsgericht das wohnungseigentumsrechtlich geschuldete Bau-Soll definiere. Maßgeblich seien in erster Linie die Teilungserklärung und der Aufteilungsplan, möglicherweise auch eine den Bauträgerverträgen als Anlage beigefügte Baubeschreibung. Darin fehlten – nach den bisherigen Feststellungen – einschlägige Angaben aber. Lediglich in der der Baugenehmigung zugrunde liegenden „Allgemeinen Baubeschreibung” sei die Verschattungsanlage erwähnt. Dies genüge nicht. Daher komme es auf die – vom Berufungsgericht ebenfalls noch nicht aufgeklärte – Frage an, ob die Außenjalousien nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich seien, namentlich aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung aus § 3 Abs. 4 Energieeinsparverordnung (EnEV) in der hier maßgeblichen Fassung des Jahres 2001 oder einer Auflage in der Baugenehmigung. Sollte dies der Fall sein, wäre die bauliche Maßnahme als Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben zu qualifizieren, d.h. nicht als bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG, sondern als Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung gem. § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG (der BGH zählt die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Vorgaben und die plangerechte Erstherstellung zur Instandsetzung im Sinne dieser Vorschrift), auf die jeder Wohnungseigentümer – mithin auch die Beklagten – einen Rechtsanspruch hätten (§ 21 Abs. 4 WEG).
Doch selbst dann, wenn es an der bauordnungsrechtlichen Erforderlichkeit fehlen sollte und die Anbringung der Außenjalousien folglich als bauliche Veränderung zu qualifizieren wäre, wäre die Klage nicht zwingend erfolgreich. Vielmehr habe das Berufungsgericht dann zu prüfen, ob der Beschluss die Anbringung der Außenjalousien gestatte. Dazu, ob der Beschluss wirksam zustande gekommen und unanfechtbar (bestandskräftig) geworden sei, seien bis jetzt keine Feststellungen getroffen. Dies sei nachzuholen. Sollte es einen wirksamen Beschluss geben, wäre die Klage unbegründet, weil der Beschluss seinem Inhalt nach nicht nur ein unverbindlicher Vorbereitungsbeschluss gewesen sei, sondern ein Grundlagenbeschluss, der eine verbindliche Regelung über das „Ob” (im Sinne eines „Ja”!) des Anbringens der Verschattungsanlagen treffe; dass es an einem Ausführungsbeschluss zu dem „Wie” fehle, habe keine Bedeutung (Rn. 20). Rechtlich belanglos sei, ob damals alle Wohnungseigentümer dem Beschlussantrag zustimmten: Sei dies nicht der Fall gewesen, der Beschluss aber unangefochten geblieben, wäre er in Bestandskraft erwachsen, da die fehlende Zustimmung beeinträchtigter Wohnungseigentümer nicht zur Nichtigkeit, sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führe (Rn. 21). Die Bestandskraft des Mehrheitsbeschlusses würde dann alle damaligen, heutigen und zukünftigen Wohnungseigentümer zur Duldung der Außenjalousien verpflichten. Doch selbst dann, wenn es am 01.06.2012 nicht zu einer wirksamen Beschlussfassung gekommen sein sollte, wäre die Klage nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. Sollte sich herausstellen, dass die Außenjalousien keine über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinausgehende Beeinträchtigungen mit sich bringen, hätten die Beklagten gegenüber allen Miteigentümern – darunter die Kläger – einen Anspruch darauf, dass gem. § 22 Abs. 1 S. 1 WEG ein förmlicher Gestattungsbeschluss herbeigeführt werde. Dann aber sei es rechtsmissbräuchlich, der Klage stattzugeben (Rn. 27).
Abschließend nimmt der BGH die Möglichkeit in den Blick, dass die bauliche Anlage nicht als bauliche Veränderung nach § 22 Abs. 1 WEG, sondern als Modernisierung nach § 22 Abs. 2 WEG zu qualifizieren sein könnte. Sollte es den Beklagten gelingen, bis zum Schluss der neuen mündlichen Verhandlung einen mit doppelt qualifizierter Mehrheit gefassten Beschluss herbeizuführen, wären die Außenjalousien ebenfalls rechtmäßig und von den Klägerin zu dulden; sollte ein solcher Beschluss gerichtlich angefochten werden, käme es darauf an, ob die Kläger durch die Maßnahme unbillig beeinträchtigt würden oder sich die Eigenart der Wohnanlage änderte (Rn. 29).