Gibt es mehrere Bewerber für das Amt des Verwalters, muss über jeden Kandidaten abgestimmt werden, sofern nicht einer die absolute Mehrheit erreicht und die Wohnungseigentümer nach dem vom Versammlungsleiter festgelegten Abstimmungsmodus nur eine Ja-Stimme abgeben dürfen. Hiermit trifft der Bundesgerichtshof (BGH) eine wichtige Aussage zum Zähl- und Abstimmungsverfahren, die nicht nur bei der Beschlussfassung über die Verwalterbestellung mit mehr als einem Bewerber gilt, sondern auch darüber hinaus (z.B. Abstimmung über verschiedene Instandsetzungsvarianten) zu beachten ist.
Mit Urteil vom 18. Januar 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen V ZR 324/17 stärkt der BGH die Rolle des Versammlungsleiters. In aller Regel ist dies der bestellte Verwalter (siehe § 24 Abs. 5 Wohnungseigentumsgesetz [WEG]). Zugleich zeigt sich, dass der Verwalter, wenn er über die neue Amtsbesetzung abstimmen lässt und mehrere Verwalterkandidaten zur Wahl stehen, neutral agieren muss. Ein fehlerhafter verfrühter Abbruch des Wahlvorgangs stellt einen Anfechtungsgrund dar.
Der Fall
Die Parteien der Anfechtungsklage bilden eine Wohnungseigentümergemein-schaft in Leipzig. Abgestimmt wird laut Gemeinschaftsordnung (GO) nach dem Verhältnis der Größe der Miteigentumsanteile (MEA), d.h. nach dem sog. Wertprinzip. In § 6 Abs. 7 Satz 1 GO ist vereinbart, dass Stimmenthaltungen als nicht abgegebene Stimmen gelten. Laut Satz 2 werden sie ebenso wie die Stimmen nicht anwesender oder nicht vertretener Wohnungseigentümer bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht mitgerechnet. In der Versammlung vom 10.11.2016 waren Eigentümer mit insgesamt 935,35/1.000 MEA persönlich anwesend oder durch Vollmacht vertreten. Unter Tagesordnungspunkt (TOP) 1 wurde über die Bestellung eines Verwalters ab 1.1.2017 beschlossen. Neben der amtierenden Verwalterin (Beschlussvorschlag 1) gab es 3 weitere Bewerber (Beschlussvorschläge zu 2-4). Bei der Abstimmung über den Beschlussvorschlag 1 entfielen auf die Ja-Stimmen 463,40/1.000 MEA, auf die Nein-Stimmen 382,25/1.000 MEA sowie 89,70/1.000 MEA auf Enthaltungen. Der Versammlungsleiter – dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob dies der amtierende Verwalter oder ein Wohnungseigentümer war – stellte daraufhin fest, dass die bisherige Verwalterin wiedergewählt sei und es daher keiner weiteren Abstimmungen mehr bedürfe. Der Versammlungsleiter stand offenbar auf dem Standpunkt, dass 463.40/845,65 MEA die ausreichende Mehrheit darstellten, da die 89,70/1.000 MEA Enthaltungen gemäß § 6 Abs. 7 GO nicht in die Stimmauszählung einzubeziehen gewesen seien, Bezugsgröße also nicht 935,35 MEA waren, sondern 845,65 (Summe der MEA der Ja- und Nein-Stimmen).
Die Anfechtungskläger halten diese Zählweise und das Beschlussergebnis für ungültig. Das Amtsgericht Leipzig gab ihrer Klage statt, die Berufung der beklagten übrigen Wohnungseigentümer wies das Landgericht Dresden zurück, allerdings unter Zulassung der Revision.
Die Entscheidung
Die Revision hat keinen Erfolg. Der (Wieder-)Bestellungsbeschluss sei – so der BGH – zu Recht für ungültig erklärt worden, da die Beschlussfassung wegen eines fehlerhaft praktizierten Abstimmungsverfahrens den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung widersprochen habe. Zwar sei es Sache des Versammlungsleiters, das Abstimmungsverfahren festzulegen, sofern durch die GO oder einen Geschäftsordnungsbeschluss keine anderweitige Festlegung erfolgt sei. Demnach könne und dürfe der Versammlungsleiter nach pflichtgemäßem Ermessen den Abstimmungsmodus, insbesondere die Reihenfolge der Abstimmungsfragen, festlegen. Innerhalb dieses Ermessens könne und dürfe er auch bestimmen, welches Wahlverfahren durchgeführt wird, wenn es mehrere Bewerber um ein Amt gibt. In Betracht komme etwa, dass jeder Eigentümer bei einer nacheinander erfolgenden Abstimmung über die einzelnen Bewerber nur eine Ja-Stimme vergeben darf. Ebenso möglich sei allerdings auch, dass jeder Eigentümer bei jedem Wahlgang von seinem Stimmrecht unabhängig von seiner sonstigen Stimmabgabe Gebrauch machen dürfe, im vorliegenden Fall also bei vier Kandidaten insgesamt vier Ja-Stimmen habe. Im hier entschiedenen Fall konnte der BGH offenlassen, welches Abstimmungsverfahren der Versammlungsleiter tatsächlich festgelegt habe (Rn 12 der Urteilsgründe). Denn in allen denkbaren Fällen sei die erforderliche Stimmenmehrheit nicht zustande gekommen. Denn der bisherige Verwalter habe in dem einzigen durchgeführten Wahlgang nur die relative Mehrheit der Stimmen erreicht, nicht aber die absolute Mehrheit, die es gestattet hätte, die Wahl vorzeitig zu beenden. Sollte es nach dem festgelegten Abstimmungsverfahren so gewesen sein, dass jeder Eigentümer nur eine Ja-Stimme abgeben durfte, hätte der Amtsinhaber nur 463,40/935,35 MEA auf sich vereint, so dass die Nein-Stimmen und Enthaltungen (zusammen 471,95/935,35 MEA) einem der anderen drei Kandidaten zum Wahlsieg hätten verhelfen können. Sollten hingegen jedem Eigentümer vier Ja-Stimmen zugestanden haben, gälte nichts anderes. Theoretisch hätte dann ein anderer Kandidat sogar 100% der Stimmen (935,35/935,35 MEA) auf sich vereinen können.
Fazit für den Verwalter
Es war fehlerhaft, die Enthaltungen auszuklammern. Die absolute Stimmenmehrheit war demnach auf 935,35 MEA zu beziehen und nicht nur auf 845,65 MEA. Die absolute Mehrheit wäre bei 467,70 MEA (über ½ von 935,35 MEA) erreicht gewesen. 463,40/935,35 MEA waren zu wenig.
Der Versammlungsleiter muss das Abstimmungsverfahren vor Beginn der Abstimmung klar und eindeutig festlegen. Dies tut er nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei es sein kann, dass die GO eine Regelung trifft oder durch Geschäftsordnungsbeschluss eine spezielle Verfahrensweise bestimmt wird.
Darf nach dem angeordneten Abstimmungsverfahren jeder Eigentümer nur eine Ja-Stimme abgeben, muss der Versammlungsleiter Acht geben. Ist eine abgegebene Ja-Stimme „aufgebraucht“, darf derselbe Eigentümer kein zweites Mal mit Ja stimmen. Bei Geltung des Wertprinzips kann dies mühevoll sein, insbesondere wenn geheim abgestimmt wird, was bei Personalwahlen (Amtsbesetzung) öfters vorkommt.