Gegenüber Hausgeldschuldnern und Störenfrieden steht der Wohnungseigentümer-gemeinschaft die Entziehungsklage zur Verfügung. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem beide Miteigentümer (Ehegatten) einer Eigentumswohnung auf Veräußerung verklagt wurden, obwohl nur der Ehemann krankhaft und renitent störendes Verhalten an den Tag legte.
Mit Urteil vom 14.09.2018 entschied der BGH, dass Wohnungseigentum, das mehreren Personen in Bruchteilseigentum (Miteigentum) gehört, insgesamt entzogen werden könne, wenn auch nur einer der beteiligten Eigentümer einen Entziehungstatbestand verwirkliche. Der nichtstörende Miteigentümer sei aber berechtigt, die Wirkungen des Entziehungsurteils bis zur Erteilung des Zuschlags dadurch abzuwenden, dass er den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst erwerbe, den Störer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage entferne und der Wohnungseigentümergemeinschaft alle Kosten ersetze, die dieser durch den Entziehungsprozess und das Zwangsversteigerungsverfahren zur Durchsetzung des Entziehungsurteils entstanden seien. Mithilfe dieser so genannten Abwendungsbefugnis des § 19 Abs. 2 WEG könne der nicht störende Ehegatte folglich die Wohnung retten, nicht aber unbedingt die Ehe.
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft verklagt ein Ehepaar, dem die gemeinsame Wohnung je zur Hälfte in Bruchteilseigentum gehört, auf Veräußerung. Die Eheleute wohnen seit Jahrzehnten in der Wohnung. Der Ehemann beschmierte wiederholt das Treppenhaus, eine Hinweistafel im Eingangsbereich, eine Wohnungstür und Briefkästen anderer Miteigentümer mit beschimpfenden Schriftzügen. Wiederholt beleidigte er andere Eigentümer in Fäkalsprache mit rassistischem Vokabular. Es kam mehrfach zu erheblichen Körperverletzungen. In einem Fall stieß er einen anderen Eigentümer die Treppe hinunter, der sich nur deshalb keine schweren Verletzungen zuzog, weil er durch einen anderen Eigentümer aufgefangen wurde.
Der Verwalter forderte beide Eheleute schriftlich unter Fristsetzung und Klagandrohung zur Unterlassung auf. Da dies vergeblich war, beschloss die Eigentümerversammlung die Einleitung eines gerichtlichen Entziehungsverfahrens gegen beide Eigentümer. Weil das schriftliche Veräußerungsverlangen nicht fruchtete, ging der Fall zu Gericht. Das Amtsgericht Leipzig in erster Instanz verurteilte beide Eheleute antragsgemäß. Der Ehemann nahm das Urteil hin, seine Frau ging in Berufung. Das Landgericht Dresden änderte das Urteil ab und verurteilte lediglich den Ehemann, seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Wohnung zu veräußern. Dagegen wendet sich die Wohnungseigentümergemeinschaft (Klägerin) mit der Revision. Der BGH stellt das amtsgerichtliche Urteil wieder her, zeigt der Ehefrau aber einen anderen Weg auf, um den Verlust der Wohnung aktiv zu verhindern.
Eingangs der Urteilsgründe beschäftigt sich der BGH mit der umstrittenen Frage, ob es zwischen den Angehörigen einer Personenmehrheit, der eine Eigentumswohnung gehöre, eine Art Sippenhaft gäbe, also das Fehlverhalten eines Mitgliedes dazu führe, dass das Sondereigentum insgesamt verlorengehe. Während dies im Falle einer Gesamtheitsgemeinschaft (beispielsweise Erbengemeinschaft) unstreitig der Fall sei, sei dies – wie hier – in einer Bruchteilsgemeinschaft umstritten. Letztlich sei auch hier aber die Streitfrage zu bejahen. Im Sinne eines effektiven Rechtschutzes und der raschen Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens sei es im Ergebnis unerlässlich, eine objektbezogene und keine personenbezogene Sichtweise zugrunde zu legen. Daher müssten auch die nichtstörenden Angehörigen der Personengemeinschaft den Verlust des Sondereigentums insgesamt hinnehmen. Allerdings sei ihnen eine Abwendungsmöglichkeit eröffnet. Diese bestehe darin, den Miteigentumsanteil des störenden Miteigentümers selbst zu erwerben, den Störer dauerhaft und einschränkungslos aus der Wohnanlage zu entfernen und der Wohnungseigentümergemeinschaft alle entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung zu ersetzen. Der BGH greift insoweit zu einer analogen (entsprechenden) Anwendung von § 19 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG).
Über das Bestehen oder Nichtbestehen der Abwendungsbefugnis des nichtstörenden Miteigentümers sei in der Regel nicht in dem Entziehungsprozess zu entscheiden, sondern im Rahmen einer Vollstreckungsabwehrklage des ebenfalls zur Veräußerung verurteilten nichtstörenden Miteigentümers im Rahmen der Zwangsvollstreckung. In diesem Rahmen sei dann nicht nur zu prüfen, ob der nichtstörende Miteigentümer alles ihm zumutbare zur Abwendung der Vollstreckung des Entziehungsurteils Erforderliche veranlasst habe (vor allem durch ein Einwirkung auf den Störer), sondern auch, ob er als nichtstörender Miteigentümer die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 WEG erfüllt habe. Allerdings sei es den Parteien des Entziehungsrechtsstreits durchaus möglich, die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer Abwendungsberechtigung schon im Ausgangsprozess gerichtlich klären zu lassen, und zwar klägerseits durch einen Feststellungsantrag und beklagtenseits durch eine entsprechende Widerklage auf Feststellung (siehe dazu Rn 35 der Urteilsgründe). Im hier besprochenen Fall waren derartige Feststellungsanträge nicht gestellt worden. Die Ehefrau kann nunmehr versuchen, im Wege einer Vollstreckungsgegenklage (§ 767 Zivilprozessordnung [ZPO]) von einer Abwendungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Dazu müsste sie ihrem Ehemann seinen hälftigen Miteigentumsanteil an der Wohnung abkaufen oder sich schenkungsweise übertragen lassen, den Ehemann zum Auszug bewegen und der Wohnungseigentümergemeinschaft alle außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten ersetzen.
Über das Veräußerungsverlangen und die Erhebung der Entziehungsklage beschließen die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit, wobei der Beschluss einer qualifizierten Mehrheit von mehr als der Hälfte aller stimmberechtigten Eigentümer bedarf (§ 18 Abs. 3 S. 1 u. 2 WEG).